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Prof. Dr. Frank Lattuch lehrt und forscht am Fachbereich Oecotrophologie · Facility Management der FH Münster im Bereich Unternehmensführung.

Münster, 3. April 2019 | Knapp 50 Prozent der Doktoranden haben schon mehrfach überlegt, ihr Promotionsprojekt aufzugeben. Das hat eine Befragung des HIS-Instituts für Hochschulentwicklung ergeben. Kollegiales Coaching ist eine Möglichkeit, zweifelnde Doktoranden zu unterstützen, meint Prof. Dr. Frank Lattuch von der FH Münster. Der Betriebswirt hat neulich ein Promotionskolleg-Seminar zum Thema geleitet.

 

Herr Prof. Lattuch, was sind die häufigsten Ursachen, wenn Doktoranden ihr Promotionsprojekt wiederholt infrage stellen?

Die Ursachen sind sehr unterschiedlich und meist sehr individueller Natur: geänderte Lebensumstände, ein verlockendes Angebot aus der Industrie, die Finanzierung oder auch falsche Erwartungen an das Projekt "Promotion" als solches. Die Liste könnte beliebig fortgesetzt werden.

Sie sind ein Befürworter des kollegialen Coachings. Was ist das und kann das die Abbrecherquote senken?

Es ist ja noch ein großer Schritt von der reinen Überlegung, das Promotionsvorhaben vorzeitig abzubrechen und es tatsächlich auch zu tun. Hier kann der Austausch mit anderen Doktoranden ansetzen und helfen, Phasen von Rückschlägen, Frustration oder Stress besser zu bewältigen - und das theoriebasiert und systematisch.

Kollegial steht hierbei für die Beziehung zum Coach: Es handelt sich dabei meist um einen Kommilitonen, der ebenfalls an der FH Münster promoviert. Als "Coach" kann dieser einem anderen Doktoranden helfen, Ziele zu klären und diese im Auge zu behalten. Durch diese kollegiale Unterstützung sollen Veränderungen besser geplant und konsequenter umgesetzt werden. Drängende Anliegen von unseren Doktoranden können so untereinander bearbeitet werden.

Abbruch könnte aber auch eine Lösung sein?

Wichtig ist mir bei diesem Ansatz, dass ergebnisorientiert und ergebnisoffen gearbeitet wird. Unter gewissen Vorrausetzungen könnte somit auch die Verlagerung des beruflichen Karriereweges erarbeitet werden, mit dem der vorzeitige Abbruch des Dissertationsvorhabens einhergeht.

Aber natürlich wünscht man sich als Hochschullehrer, dass das Coaching nicht zu einem Abbruch, sondern vielleicht zu einer noch höheren Performance in der Dissertation führt. Ich vergleiche das Coaching von unseren Doktoranden gern mit dem Coachen von Hochleistungssportlern. Es geht hierbei darum, unsere Doktoranden noch besser in ihrer Arbeit zu machen und sie dabei systematisch und konsequent zu unterstützen.

Sie haben neulich ein zweitägiges Training für Promovierende der FH Münster angeboten. Welche Methoden haben Sie ihnen vermittelt?

Wissenschaftlich fundiert lernen die Doktoranden mit ausgewählten Lernmethoden und durch verschiedene praktische Übungen erste Ansätze, um andere Doktoranden kollegial zu coachen. Bei diesem Training handelt es sich um einen auf praktische Ergebnisse ausgerichteten Ansatz, der auf die Erfolgsfaktoren Reflexion, Ressourcenaktivierung und insbesondere Umsetzungsunterstützung setzt. Inhaltlich erlernen die Teilnehmer praktische Ansätze zur ressourcenorientierten Situationsanalyse, Zielklärung, Lösungsentwicklung und Umsetzungsunterstützung.

Das mag jetzt alles sehr abstrakt klingen. Tatsächlich aber waren die zwei Termine von praktischen Übungen geprägt, bei denen eine Person die Rolle des Coaches und die andere Person die Rolle des Doktoranden beziehungsweise Klienten annahm. Unsere Doktoranden haben in diesen Zweierteams an ihren tatsächlichen Anliegen gearbeitet und konnten somit direkt aus der kollegialen Auseinandersetzung wichtige Impulse mitnehmen.

Doktoranden coachen sich also untereinander. Reichen Doktorväter, Doktormütter und bestehende Netzwerke nicht normalerweise aus?

Natürlich sind die Betreuer der Dissertation wichtig. Hier können aber bereits erste Herausforderungen entstehen, da unsere Doktoranden an der FH Münster aktuell noch immer mit einer Kooperationsuniversität promovieren. Diese Dreiecksbeziehung bietet viele Chancen, ist mitunter aber auch herausfordernd.

Sprechen Sie über promotionsbezogene Anliegen etwa mit der eigenen Mitbewohnerin oder einem Freund, kann dies im ersten Schritt auch helfen. Häufig sind hierbei im Vergleich zum Coaching jedoch unterschiedliche Rollenauffassungen zu beobachten. So schlägt sich die Mitbewohnerin oder der Freund vielleicht automatisch auf Ihre Seite, wenn Sie von einem Konflikt mit Ihrer Betreuerin oder Betreuer berichten, und sagt möglicherweise voreilig: "Du hast recht, das ist wirklich gemein, wie viel du neben der Diss noch für das andere Forschungsprojekt arbeiten musst. Da bleibst du mit deinem Promotionsvorhaben doch total auf der Strecke!"

Durch kollegiales Coaching soll versucht werden, aus der gerade beschriebenen Problemorientierung in eine Lösungsorientierung zu wechseln. Dafür ist die neutrale Rolle des Coaches essenziell. Neben der deutschen Forschung zu diesem Thema gibt es insbesondere auch aus dem Vereinigten Königreich wichtige Studien. Darin wird immer wieder die konsequente Umsetzungsunterstützung als Erfolgsfaktor hervorgehoben.

Was sind daneben wesentliche Faktoren, damit eine Promotion erfolgreich ist?

Das ist schwer allgemein zu beantworten. Jedes Promotionsvorhaben ist in seiner Art einzigartig. Wenn Sie allgemeine Verhaltensmuster meinen, dann würde ich sagen, es ist wichtig, die Dissertation als "echten Job" zu verstehen. Wenn man direkt nach dem Studium promoviert, ist man oft noch im alten Modus, was die Tagesstruktur angeht.

Aus meiner Sicht ist es wichtig, sich in der neuen Rolle als Doktorand feste Arbeitszeiten vorzunehmen. Die Freiheit, die man während eines Dissertationsvorhabens hat, ist nun einmal Chance und Risiko zugleich. Hierüber sollte man sich bewusst sein. Gleichzeitig halte ich einen engen Kontakt zu den Betreuern und anderen Doktoranden für sehr wichtig.

Wenn man das große Projekt "Dissertation" in sinnvolle Teile gliedert, kann immer wieder ein Zwischenstand der Unterthemen mit den Betreuern abgeglichen werden. Das hilft auch den Betreuern, einen besseren Überblick über den Fortschritt der eigenen Doktoranden zu haben. Hiervon profitieren alle Seiten.

Sind Sie selbst während Ihrer Promotion auch mal an den Punkt angelangt, aufgeben zu wollen? Was hat Ihnen am meisten geholfen, Ihre Promotion erfolgreich abzuschließen?

Glückerweise bin ich an diesem Extrempunkt nicht angelangt. Aber es gab Phasen, in denen ich über den Fortschritt meiner Arbeit etwas frustriert war. Schwierige Elemente der Datenerhebung habe ich vor mir hergeschoben.

Auch wenn es mich dann immer etwas kalt erwischt hat, so war ich doch meinen Kommilitonen dankbar, die nicht müde wurden nachzuhaken und zu fragen, wo ich gerade stehe, was die nächsten Schritte sind, um meine Zwischenziele zu erreichen und ob ich diese auch umsetze. Aus der Coachingbrille würde ich dies heute als "konsequente Umsetzungsunterstützung" beschreiben.

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